Wie stellt man sich den allgemeinen Tischtennisspieler vor, wenn man ihn noch nie hat spielen sehen? Die Männer und Frauen, die den kleinen Ball übers Netz schlagen, wirken im Leben neben der Tischtennisplatte und am Telefon dieser Sportredaktion immer so ruhig und ausgeglichen. Vielen von ihnen haben noch altmodisch-schöne Angewohnheiten, die die meisten Fußballer leider schon längst über Bord geworfen haben: Tischtennisspieler und -spielerinnen setzen sich nach dem Spiel oft noch mit dem Gegner von vorhin zusammen und trinken mit ihm ein oder zwei Bierchen. Erst kürzlich sagte der Korbacher Spieler Andreas Boltner etwas schwärmerisch, dass er sich mit seinen Teamkollegen wieder eine 0:9-Klatsche abgeholt habe, aber das gemeinsame Zusammensein gleiche das alles wieder aus. Der gleiche Tenor erklingt aus Wetterburg. Da haben die Frauen des TSV des Spitzenspiel in Morschen vor sich und die TSV-Kapitänin Saadia Kniwel sagt dazu: „Egal, wie das Spiel auch ausgehen mag, danach gegen wir mit den Morschenerinnen beim Thailänder Essen. Das sind gute Freundinnen von uns.“ So viel Harmonie, so wenig Rivalität, Worte, die wie ein Monolog in einem Rosemunde-Pilcher-Film klingen. Aber genauso stellen wir uns Tischtennisspieler vor, denn die Großen dieser Sportart leben uns auch diesen Charakter vor, ob Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov oder Nina Mittelham. Nicht einmal bei Olympia sieht man einen, der während des Spiels ausrastet oder den Schiedsrichter beschimpft. Die Gelbe oder gar Rote Karte ist in diesen einfühlsamen Kreisen nicht notwendig. Aber stimmt das so? Vermutlich nicht, denn es muss sie geben, die cholerischen, die unfairen Tischtennisspieler. Diese Spielverderber gibt es doch in jeder Sportart. Allerdings kann der Tischtennissport seine Schreihälse, Quertreiber und die anderen Schwarzen Schafe wirklich gut verstecken.
Mit freundlicher Unterstützung der WLZ
VON REINHARD SCHMIDT, reinhard.schmidt@wlz-online.de
