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Hessen-Kader: „Es ist eine Art Dauerlehrgang“

Der Hessen-Kader erlebt in diesen Corona-Wochen, wie chinesische Verhältnisse im Tischtennis aussehen.

In drei Einheiten am Tag können die Olympia-, Perspektivkader sowie Nationalkader 1 und 2 und inzwischen auch hessischen Nachwuchsleistungssportler an der Landessportschule Hessen in Frankfurt am Main unter der Leitung des Trainer-Teams mit dem Bundes-/Landesstützpunktleiter Frankfurt/Main, Tobias Beck, trainieren. Zwei Hallendrittel sind seit Ende April nur für Tischtennis reserviert. Je fünf Tische passen dort hinein, dem COVID-19-Schutz- und Handlungskonzept des DTTB und seiner Landesverbände in der Größe folgend und durch Umrandungen abgetrennt. Auf- und abgebaut werden muss seit Wochen nicht. Halle eins teilt sich der HeTTV nur mit den Landeskadern vom Badminton, die sich im mittleren Drittel eingerichtet haben.

„Es ist eine Art Dauerlehrgang“, beschreibt Tobias Beck. Selten haben Trainer auf Leistungsniveau über eine so lange und intensive Zeit Gelegenheit für die Arbeit mit ihren Schützlingen. Das Lernen für die Schule läuft nebenher – online gestützt oder in eigener Verantwortung mit Vorgaben und Lehrmaterial von der jeweiligen Schule. Die Schülerinnen und Schüler dürfen sich ins WLAN der Sportschule einwählen und können in den Trainingspausen ihre Aufgaben erledigen bzw. an Online-Fernunterricht und klasseninternen Video-Calls teilnehmen.

Auch Timo Boll war schon Trainingsgast

Hessens zehnjähriges Talent Josephina Neumann (TTC G.-W. Staffel) ist ebenso vor Ort wie die U18-Hessenmeister Sarah Rau (Sportclub Niestetal) und Tayler Fox (TTC OE Bad Homburg) sowie Trainingsdauergäste wie die 22-jährige Deutsche Mixed-Meisterin Janina Kämmerer vom Erstligisten TSV Langstadt. Die U23-Kaderspielerin schnuppert nebenbei ins Profileben hinein. Nach bestandenem Staatsexamen wartet sie auf den Beginn ihres Referendariats an einer hessischen Grundschule und nutzt die Wartezeit zu intensivem Training. Zwischen sieben und 18 Uhr gehören die beiden Drittel dem HeTTV. Fehlt eigentlich nur die Verpflegung. Denn die LSBH-Kantine steht zurzeit nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Internatsmitgliedern zur Verfügung.

„Wir waren in der komfortablen Situation, dass die hessische Landesregierung Mitte April einen für die Berufs- und Kadersportler günstigen Erlass veröffentlich hat“, erklärt Coach Beck. Das erste Training, zu der Zeit noch in einer kleinen Gruppe, war am Donnerstag, 23. April. „Seit dieser Zeit trainieren wir regelmäßig. Nach Änderungen der Erlasse hat sich der Teilnehmerkreis zu unserem Glück immer mehr erweitert.“ Von acht Spielerinnen und Spielern zu Beginn, darunter zwei Paraspieler, bis zu den aktuellen 20, die in drei Schichten in der Halle trainieren können. Auch Timo Boll war schon darunter.

Intensives Feilen an den Feinheiten möglich

Die hessischen Kadermitglieder können mit ihren Trainerinnen und Trainern Schlagtechnik und Beinarbeit weiterentwickeln und an Feinhalten feilen, die in Wettkampfvorbereitung und -betrieb neben Schule, Ausbildung oder Job leider oft zu kurz kommen. Die Stimmung ist gelöst. Angst vor Ansteckung sieht anders aus, auch wenn der Gedanke an das Risiko einer Infektion mit COVID-19 allgegenwärtig ist: Abstands- und Hygieneregeln müssen eingehalten werden, es gibt in der Sportschule abgetrennte Laufwege, Spender mit Desinfektionsmitteln, Umkleiden und Duschen sind gesperrt.

Die entspannte Stimmung sei nicht immer so gewesen. Vor allem nicht zu Beginn, blickt Tobias Beck zurück. „Ich nenne das gerne ‚spooky‘“, sagt er, gespenstisch. „So war es am Anfang, nachdem alle fünf Wochen lang zu Hause gewesen waren und erst einmal nicht so genau wussten, wie sie sich verhalten sollten.“ Der ehemalige Damen-Bundestrainer fügt an: „Es hat aber immer die Freude überwogen, dass sich endlich alle wiedergesehen haben und miteinander trainieren konnten.“

WhatsApp-Chats und Online-Meetings zur Überbrückung

Gemeinsame WhatsApp-Gruppen hatten die einzelnen Kadergruppen – die Jüngeren über deren Eltern – schon vor der Corona-Zeit gebildet. Diese wurden nun intensiver genutzt. Das HeTTV-Trainer-Team inkl. Athletikcoach übermittelten Aufgaben für zu Hause, damit sich die Sportlerinnen und Sportler halbwegs fit halten konnten. Es gab einmal pro Woche Online-Meetings. „Wir haben dabei nicht nur über Tischtennis geredet, sondern über Alltägliches“, so Beck. „Das hatten wir alle nötig.“

Inzwischen wird wieder gelacht und gescherzt und vor allem intensiv trainiert. Die Aktiven und Trainer haben längst verinnerlicht, dass sie bei allem mindestens 1,5 Meter Abstand wahren, ob beim Warten oder bei Pausen auf den Langbänken, beim Aufwärmen, bei Übungsanleitung und Korrekturen, beim Balleimer-Training und Bällesammeln, bei den üblichen Abläufen im Tischtennis eben. Und zu Begrüßung und Verabschiedung hat sich bei vielen aus der Gruppe der „Wuhan-Shake“ durchgesetzt, ein sanfter Kick mit den Füßen. Zumindest im Trainingsbetrieb ist halbwegs Alltag eingetreten. „Wir sind alle gespannt darauf, wie die ersten Wettkämpfe verlaufen werden und ob die schulischen Leistungen noch stimmen, wenn dort wieder Normalbetrieb herrscht“, sagt Chefcoach Tobias Beck. Für die Zeit bis dahin haben er und sein Team wohl die beste Lösung gefunden.

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